Aus dem Archiv: „Zeitschnitte“ – eine Ausstellung im Stadthaus, Oktober 2000

Im Oktober 2000 organisierte das Schulmuseum eine Ausstellung im Stadthaus: „Zeitschnitte 1900/2000„.

Hier stellen wir, gestützt auf den damaligen Internetauftritt des Osnabrücker Schulmuseums, die einzelnen Aspekte dieses Ereignisses vor.
(Nebenstehend das Titelblatt des Faltblatts, mit dem zur Ausstellung eingeladen wurde.)

 

Dokumentation zur Sonderausstellung

„Zeitschnitte 1900/2000 – Osnabrück zeigt Schulgeschichte“
05.10. bis 27.10.2000, Foyer des Stadthauses

Ausgehend von der besonderen Ausstrahlung des Schweizer Pädagogen Pestalozzi, dessen Ideale auch die Lehrerbildung in der Region Osnabrück zu Reformen anregte, wurde das pädagogische Wirken der städtischen Schulinspektoren Schüren und Backhaus herausgestellt.

Den Unterricht des Zeitschnittes 1900 veranschaulichten eine Rettigbank, ein Kartenlager, eine Amtsuhr und Materialien zum Lernort „Sütterlin“.

Drei unterschiedlich dokumentierte Lehrerbiographien mit Originalurkunden, historischen Fotos und Gegenständen aus dem schulischen Alltag dieser Zeit gaben der Ausstellung einen volkskundlich orientierten Rahmen.

Ausstellungskonzept

Intentionen
Mit seiner ersten eigenverantwortlich gestalteten Ausstellung präsentierte der Verein besonders solche schulgeschichtlichen Dokumente und Exponate der Osnabrücker Region, die abseits der großen Bildungsgeschichte Alltagserfahrungen der in ihr handelnden Menschen widerspiegeln.

Rahmenbedingungen
Die Besonderheit des Foyers des Osnabrücker Stadthauses und der Umfang und die Qualität der im Vereinsfundus zur Verfügung stehenden Exponate zwangen zu gezielter Auswahl von Objekten und Darstellungsformen.

Auswahl
Der Umfang konzentrierte sich thematisch auf drei ausgewählte Felder der Schule: auf Lehrer, auf Unterricht und auf Sitzmöbel. Die Felder wiederum waren wentlich auf die Zeitschnitte 1900 und 2000 reduziert

Angebote für den eiligen Besucher
Für den eiligen Besucher galten Bilder, Fotos, die kurzen Texte auf der linken Bildseite des Trennstriches und die Informationen aus dem Faltblatt. Darüber hinaus boten sich breiter angelegte Texte, Aktionsstunden und Führungen zur Vertiefung an.
Die auf der linken Bildseite gezeigten Leitbilder sollten zur weiteren Orientierung beitragen.

Hinweise

Textbelege:
Textquellen sind belegbar. Der Verzicht auf durchgängige Zitation diente der besseren Lesbarkeit.

Klärungsbedarf:
Bei Fragen und Anregungen wenden Sie sich bitte via EMail an den Vorsitzenden J. Barth.

Die Aktionsstunden zur Sütterlinschrift, zum Solara-Projekt und zum Entwurf der Ausstellungsdokumentation auf dieser Homepage gaben ein Beispiel für den hohen Stellenwert, den das Handlungsprinzip auch im zukünftigen Lernstandort „Osnabrücker Schulmuseum“ einnehmen soll.

 

Aktionsstunden im Überblick

Der
Veranstaltungskalender stellt die einzelnen Themen noch
einmal vor. Die Aktionsstunden verdeutlichen den
lebendigen Charakter der Ausstellung.
Eröffnung

am
Donnerstag,

5.
Oktober 2000, 

16:00
Uhr

Begrüßung durch
Stadtrat Reinhard Sliwka

Einführung durch
Jürgen Barth,
Vorsitzender des Vereins

Osnabrücker 
SchulMuseum e.V.

Anschließend Rundgang

durch die Ausstellung.

Besonders für Gäste mit
Einladung. 

Sütterlin

am Mittwoch,

11.
Oktober 2000,

14:00
bis 16:00 Uhr

Kinder der 
Orientierungsstufe Dom
proben in Begleitung ihrer Lehrerin

die Schrift der
Urgroßeltern:

Besucher sind herzlich
willkommen! 

Sie können zuschauen 

oder – besser noch – Sie
probieren es selbst!

 

 

 Solara-Projekt

am
Donnerstag,

12.
Oktober 2000,

15:00
bis 16:00 Uhr

Kinder der
Waldschule Lüstringen

engagieren sich für den
Erhalt der 

Solara-Skulptur.

In Begleitung ihrer
Lehrkraft berichten sie über den erfolgreichen Einsatz
und tragen ein Lied 

zum Lobe der Solara vor.

Besucher sind herzlich

willkommen!

Internet

am Dienstag,

17.
Oktober 2000,

14:00
bis 16:00 Uh
r

Ehemalige Schüler des
Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums stellen am PC den Entwurf
dieser Homepage 

für den Verein vor.

Schwerpunkt der Homepage
wird die Dokumentation der aktuellen Ausstellung sein.

Besucher sind herzlich

willkommen! 

Führung

am Dienstag,

24.
Oktober 2000,

15:00
Uhr

Der Vereinsvorsitzende
führt durch 

die Ausstellung.

Schwerpunktsetzung nach
Wunsch 

der Besucher.

Besucher sind herzlich

willkommen!

Führung

am Freitag,

27.
Oktober 2000,

12:00
Uhr

Der Vereinsvorsitzende
führt durch 

die Ausstellung.

Schwerpunktsetzung nach
Wunsch der Besucher.

Besucher sind herzlich

willkommen!

 

 

Johann Heinrich Pestalozzi

Von der Liebe zum Menschen bewegt, war er lebenslang davon überzeugt, der Verelendung weiter Volksschichten durch Erziehung und Bildung beikommen zu können.
Er lässt sich vom propagierten Erziehungsideal der Aufklärung inspirieren und sieht in der Anschauung das Fundament aller Erkenntnis.
Friedrich Wilhelm III. von Preußen zeigt sich von den praktischen Schulerfolgen derart beeindruckt, dass er Lehramtskandidaten in die Schweiz entsendet und eine Schulreform für Preußen ankündigt.
Das Lebenswerk des Pädagogen geht in die Brüche. Verarmt stirbt der „Vater der Volksschulbildung“ 1827.
Seine Ideen aber wirken weit über den Schweizer Raum und den Zeitschnitt 1900 hinaus.
Auch in der Region Osnabrück blieb das pädagogische Gedankengut Pestalozzis nicht ohne Resonanz.
Besonders zwei Erzieherpersönlichkeiten am Ausgang des 19. Jahrhunderts sind hier zu nennen, die Grundlegendes aus der Pädagogik Pestalozzis für sich verarbeiteten und weitertrugen:

Bernhard Heinrich Overberg (1754-1826), in Höckel bei Voltlage, Regens des münsterlichen Priesterseminars und später Konsitorialrat, als „Pestalozzi des Münsterlandes“ verehrt und

Johann Heinrich Schüren (1801-1874), dessen pädagogisches Wirken in einem weiteren Text gewürdigt wird.

1899 errichtete der ev. Magistrat der Stadt Osnabrück die erste Hilfsschule des Bezirks. Seit 1927 trägt sie den Namen „Pestalozzischule“.

 

„Also bin ich ein Werk der Natur. Ein Werk meines Geschlechts. Und ein Werk meiner Selbst.“ (Pestalozzi)

Johann Heinrich Schüren (1801 – 1874)

1801 in Soest geboren, tritt er als Sechzehnjähriger in das Lehrerseminar seiner Heimatstadt ein, wird 1820 Lehrer und übernimmt auf Empfehlung des Osnabrücker Oberschulrats Kohlrausch 1833 Lehraufgaben in der Neustädter Vorschule. Er steigt schließlich zum Inspektor für die evangelischen Elementarschulen in Osnabrück auf.
Teilansicht der Heinrich-Schüren-Schule im August 2000 (Foto: OSM)Durch Fürsprache des späteren Bürgermeisters Stüve, damals noch Minister in Hannover, wird ihm 1850 die Leitung des 1810 in Osnabrück begründeten evangelischen Lehrerseminars übertragen.
Er stirbt 1874 und wird auf dem Johannesfriedhof zur letzten Ruhe gebettet.

Als Mann der Erweckung war Schüren ganz betont christlicher Schulmann. Seine gelebte Frömmigkeit brachte ihm neben Zuneigung auch Spottverse ein, die man ihm an die Tür heftete.
Die Prinzipien seiner Erziehungs- und Unterrichtsarbeit haben ihre Wurzeln im Gedankengut Pestalozzis.

J.H. Schüren gilt als Typus eines Pädagogen des 19. Jahrhunderts.
Sein Name lebt in der Bezeichnung der Grundschule an der Sedanstraße fort und wird von einer Generation in die nächste getragen. Die „Heinrich-Schüren-Schule“ kann im nächsten Jahr (2001) den 200sten Geburtstag ihres Namensgebers feiern.

„Wahre Erziehung ruhet auf christlichem Fundamente.“  (Schüren)

„Unter den Namen, die mit der Entwicklung der evangelischen Osnabrücker Volksschule jener Tage verknüpft sind, steht der Schulinspektor Schüren obenan.“ (Stadtschulrat Dr. Preuß, 1928)

Johannes Christoph Nikolaus Backhaus (1826-1897)

Johannes Christoph Nikolaus Backhaus wird 1826 in Bahlburg bei Winsen a. d. Luhe „in einem Lehrerhaus“ geboren, besucht das Hannoversche Lehrerseminar und arbeitet als Lehrer in Bardowick und Winsen, später 9 Jahre an der Realschule in Lüneburg.
Mit 41 Jahren wechselt er auf Zuraten des Bürgermeisters Miquel 1867 nach

Das Foto zeigt das Gebäude der Backhausschule im August 2000 (Foto: OSM)

Osnabrück und stellt sich hier, nachdem er eingehend Rücksprache mit Schüren genommen hat, der Wahl, die zu seinen Gunsten entschieden wird und erhält das Amt eines Schulinspektors mit einem Anfangsgehalt von 800 Talern jährlich.
„Und es war eine glückliche Wahl!“ resümiert der Chronist L. Hoffmeyer 1920 in seiner „Geschichte der evangelischen Volks– und Bürgerschulen der Stadt Osnabrück“.

Das Amt versieht er bis zum Eintritt in den Ruhestand 1895. Er stirbt 1897.

 

Schluss-Stein am Haupteingang: „.A. 1914. D.“ (Foto: OSM)Zur Erinnerung an den bedeutenden Schulinspektor erhält die evangelische Mittelschule vor dem Herrenteichstore im Jahre 1915 die Bezeichnung Backhausschule. Als Realschule schließt sie zum Jahresende 1988 und geht in der Möser-Realschule-I auf.
Die einziehende Grundschule behält mit Zustimmung der Stadt den Namen bei. Die Backhaus-Grundschule teilt sich bis heute das Gebäude mit Klassen der Berufsbildenden Schule und der Fachoberschule.

„Backhaus hat mit unermüdlichem Eifer, weitem Blick und besonderen organisatorischen Fähigkeiten an der Weiterentwicklung des Osnabrücker Volksschulwesens gearbeitet.“

Lehrer um 1900

Drei unterschiedlich dokumentierte Lehrerbiographien mit Originalurkunden, historischen Fotos und Gegenständen aus dem schulischen Alltag dieser Zeit gaben der Ausstellung einen volkskundlich orientierten Rahmen.

> Schüren

> F. Dunker

> Goswin Witte

F. Dunkers Begegnungen mit Schüren:

Lebenserinnerungen

Friedrich Dunker in Osnabrück im Alter von 59 Jahren (1905) * 23.09.1846 in Mardorf + 15.12.1928 in Menslage Foto: privat (Familienarchiv des Enkels R. Dunker aus Natbergen)

Im Ruhestand verfasst Lehrer F. Dunker 1919 auf über 130 Seiten seine Lebenserinnerungen. Unter der Überschrift „Aufenthalt in Osnabrück“ schildert er darin auch den Eintritt in das Osnabrücker Lehrerseminar, das seit 1850 unter der Leitung von Schüren stand.

[wpanchor id=“schueren“]„In jener Zeit erfuhr ich von einem Bekannten Näheres über den berühmten Seminardirektor Schüren in Osnabrück. Das veranlasste mich, an denselben zu schreiben und ihn zu bitten, mich ins Osnabrücker Seminar aufzunehmen. Er bat um persönliche Vorstellung. Dem Wunsch kam ich im Juli 1863 nach. Nach einer oberflächlichen Prüfung erklärte er mir, daß ich vor meinem achtzehnten Lebensjahr nicht ins Seminar aufgenommen werden könne. Wenn ich aber Lust hätte, könnte ich dableiben und im Seminar wohnen. Er wolle einen Seminaristen veranlassen, mir Unterricht zugeben, und er selbst wolle mich in manchen Dingen unterrichten. In der übrigen Zeit sollte ich nach Anweisung in den drei vorhandenen Schulklassen hospitieren.“ …
„Schüren hatte mir im Fluge das Herz erobert, und ich bin ihm und bleibe ihm bis an mein Lebensende dankbar. Sein Bild hängt noch immer über meinem Bette als teures Andenken. Ich habe nur wenig Menschen kennengelernt, die ihm in Güte und Wohlwollen gleichkommen.“ …

F. Dunkers Engagement in Eversburg (1872-1882)

Durchschnittliches Diensteinkommen
Im Jahre in Städten auf dem Lande in Städten auf dem Lande
Lehrer Lehrerinnen Lehrer Lehrerinnen
1886 1635 1216 1133   949
1891 1812 1261 1264 1020
1896 2029 1362 1357 1132
1901 2381 1572 1640 1280
1906 2561 1687 1702 1323
1911 3218 2003 2401 1625

[wpanchor id=“dunker“]Während seiner Anstellung in Eversburg engagierte sich Lehrer F. Dunker neben allen beruflichen Verpflichtungen für die Errichtung eines besonderen Friedhofes, gab die Anregung zur Gründung des Piesberger Kriegervereins und wurde ihr Vorsitzender. Als Vorsitzender des Eversburger Gartenbauvereins veranlasste er, „jedem Konfirmanden und jeder Konfirmandin einen Obstbaum zum Pflanzen und zur Pflege zu übereignen.“

Die Zeit in Eversburg (1872-1882):

„Die Preise für Lebensmittel waren im Verhältnis zu heute minimal. Ein Pfund Fleisch kostete 50-60 Pf., Schinken 70-80 Pf., Butter 60-70 Pf., Mehl 18 Pf. Zucker 20-22 Pf., Seife 18-20 Pf., Bohnen 15 Pf., Erbsen 14 Pf., ungebrannter Kaffee 70-80 Pf., 1 Zentner Kartoffeln 2-3 M,1 Zentner Tafelobst 3-4 M, 1 Zentner Steinkohlen einschließlich Fuhrlohn 50 Pf..

Die erforderliche Milch gab eine gehaltene Ziege (gekauft das Liter 10-12 Pf.). Das nötige Gemüse wurde im eigenen Garten gebaut. Es kostete allerdings viel Arbeit, Fleiss und viel Dung, denn der Boden war sehr sandig. Ein Fuder Dung einschließlich Fuhrlohn kostete 6 M.

Die allernotwendigsten Kolonialwaren waren in einem eingerichteten Konsumverein zu haben. Das Brot wurde meist selbst gebacken. In der ersten Zeit waren noch keine Bäcker und kein Schlachter in Eversburg. Deshalb mussten Brot und Fleisch aus Osnabrück besorgt werden, was bei den 4-5 km entfernten und oft schmutzigen Wegen mit viel Zeitverlust und Umständen verknüpft war.

Die Kleidungsstücke für die Kinder wurden von der Mutter nach Schnittmustern angefertigt, oft aus abgetragenen Stoffen der Erwachsenen.“

Jahreseinkommen

F. Dunker bezifferte sein Jahreseinkommen für 1874 auf 1200 M einschließlich einiger kleiner Nebeneinnahmen. Für die Dienstwohnung waren 10 % vom Gehalt zu zahlen.
Nach Berechnung des Enkels R. Dunker entspräche die Gesamtsumme, auf das Jahr 1998 umgesetzt, einem Jahresverdienst von ca. 12000 DM.

 

F. Dunker in seinen Lebenserinnerungen von 1919:

F. Dunker und die Eversburger Friedenseiche von 1874

„Im Frühjahr 1874 wurde auf meine Veranlassung vor der Schule eine Friedenseiche gepflanzt, die inzwischen zu einem großen Baum herangewachsen ist, der seine Zweige weit über den Platz ausweitet.“

Schulinspektor Backhaus bietet dem Lehrer F. Dunker 1882 eine Stelle in der Neustadt an.
F. Dunker und die Eversburger Friedenseiche von 1874

Bemühungen um den Erhalt der Eiche

Seit Frühjahr 2000 bemühen sich die Grundschule Eversburg, der Bürgerverein Eversburg und der Verein Osnabrücker Schulmuseum e.V. zusammen mit der Stadt Osnabrück, dieses lebende Denkmal zu erhalten und das Umfeld des Baumes würdig zu gestalten.
Die Schwere der festgestellten Baumschäden zwingt jedoch jetzt zur Entfernung, mindestens aber zur 50 %igen Reduzierung des gesamten Kronenvolumens.
Die Fortsetzung der besonderen Geschichte dieses Baumes soll nun über seine Früchte versucht werden. Ein Setzling könnte dann die authentische Nachfolge antreten.— Im Osnabrücker Tageblatt von 1962 heißt es zur Friedenseiche:

„Unter ihren Wurzeln ruht eine versiegelte Flasche mit dem Namen des Stifters und seiner Kameraden.“


Abschließende Daten aus einem außergewöhnlichen Lebenslauf eines Osnabrücker Lehrers um 1900

1882 verlegt Lehrer F. Dunker sein Arbeitsfeld in die Innenstadt; Schulinspektor Backhaus bietet ihm die ersten Klassen an der Volksschule auf der Neustadt am Johannistorwall an.

1901 geht F. Dunker in die vorzeitige Pensionierung; „Die Ärzte glauben, dass die in den Schulräumen vorhandene trockene Luftheizung und der dadurch aufwirbelnde Staub die Ursache sei. Ein Wechsel am Schullokal brachte etwas Besserung, aber keine Heilung.“

1919 verfasst F. Dunker seine Lebenserinnerungen in Lübeck

1928 stirbt Lehrer Friedrich Dunker am 15. Dezember in Menslage.

[wpanchor id=“goswin“]Lehrer Goswin Witte (1862- ?)

Originalurkunden des Lehrers Goswin Witte

Als zwanzigjähriger Seminarist schreibt Goswin Witte einen vom Königlichen Provinzial-Schulkollegium zu Hannover angeforderten Lebenslauf. Darin berichtet er über sein Elternhaus, die Schulzeit in der Knabenschule St. Johann zu Osnabrück, seine Kommunion 1876 und den Eintritt in das hiesige Bischöfliche Lehrerseminar 1879.

Die Auslage enthielt das Prüfungszeugnis von 1882, Anstellungsbescheide für die Schulen in Hagen, St. Johann zu Osnabrück, Lengerich und Belm und das Zeugnis zum Bestehen der zweiten Prüfung 1886, ausgefertigt durch die Königlich Preußische Regierung zu Osnabrück.

Die Urkunden fanden sich auf einem alten Hausboden einer privaten Stadtwoh-
nung. Der Finder schenkte sie dem Verein Osnabrücker Schulmuseum e.V. 1999.

Zu sehen sind eine Rettigbank, der Lernstandort Sütterlin, Informationen zur seminaristischen Lehrerausbildung und weitere Themen.

Carl Diercke
besuchte das Gymnasium, ließ sich zum Stadtschullehrer in Berlin ausbilden und übernahm 1873 die Leitung des Lehrerseminars in Stade.
1885 folgte die Versetzung als Seminardirektor nach Osnabrück. Hier verblieb der inzwischen zum Regierungs– und Schulrat ernannte Diercke bis 1899.

Ausgestellt war ein Diercke-Schulatlas von 1907 aus dem Nachlass des Lehrers Vodegel; heute im Besitz des Vereins.

 

Carl Diercke (1848-1913), … „der lange auch in Osnabrück lebte“ … (NOZ vom 19.11.1999)

Dierckes Richtlinie zur Erstellung von Landkarten: Eine Karte muss „richtig, zweckmäßig und schön“ sein.

W. Vodegel
Ausbildung und Beruf
Nach Ausbildung in der Präparandenanstalt Melle (1903-1906) besuchte W. Vodegel zunächst das Lehrerseminar in Wunstorf von 1906 bis 1909 und erhielt darauf seine erste Stelle als Lehrer 1909 in Großenfehn.
Von hier aus nahm er zu Fortbildungszwecken an überregional eingerichteten Lehrerkonferenzen teil.
W. Vodegel wechselte schließlich an eine Schule im Schinkel und unterrichtete später an der Teutoburger Schule und der Rosenplatzschule in Osnabrück.
Bildungsauftrag für Lehrerseminare
Im Erlass des Kaisers zur Einführung der Ergänzungen zum Seminarlesebuch heißt es:
„Seine Majestät der König haben am 1. Mai 1889 … [eine] … Allerhöchste Ordre an das Staatsministerium zu erlassen geruht.“
Das Staatministerium verständigte sich darauf, entsprechende Vorschläge an sämtliche Königliche Provinzialkollegien gehen zulassen. Sie lauteten:
„I. Niederes Schulwesen.
A.a. In den Unterricht der Lehrer-Seminare wird eine besondere Unterweisung der Zöglinge in den elementaren Grundsätzen der Volkswirtschaft eingeführt. b. Dieser Unterricht wird in der Weise erteilt, daß die Seminaristen befähigt werden, in ihrer späteren Amtsthätigkeit ihre Schüler, soweit dies durch die Schule möglich ist, vor dem Einflusse socialdemokratischer Irrlehren und Entstellungen zu bewahren und über das zu belehren, was wahr, was wirklich und was in der Welt möglich ist.“ …

Seminaristische Lehrerausbildung in der Region Osnabrück

Für die Volksschulen der Osnabrücker Region entwickelten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts vornehmlich zwei Hauptwege zum Beruf des Lehrers/der Lehrerin:
Zum einen übernahmen Mädchengymnasien mit speziellen Seminarprofilen die Aufgabe, Schülerinnen bis zum Erwerb der Anstellungsfähigkeit als Lehrerin (z.B. Iburg, Ursulinen und die Höhere Töchterschule am Wall) vorzubereiten und zum anderen gründeten sich Seminare für männliche Absolventen der Präparandenanstalten. Besonders zu nennen sind das Ev. Lehrerseminar (seit 1810) und das Kath. Lehrerseminar (seit 1823). Der bedeutendste Absolvent des Kath. Lehrerseminars von Osnabrück war der spätere Schriftsteller Erich Maria Remarque.

Erich Remark, später
Erich Maria Remarque, Schriftsteller (geboren am 22. Juni 1898 in Osnabrück, gestorben am 25. September 1970 in Locarno/Schweiz), erhielt 1912 das Enlassungszeugnis der Domschule (14 mal „gut“ und 1 mal „gut“ bis „sehr gut“ im Zeichnen).

Er wird zum bedeutendsten Absolventen des Kath. Lehrerseminars zu Osnabrück.

Lehrer Franz Sprehe
Im gleichen Seminarkurs wie Remarque befand sich auch der aus traditionsreicher Lehrerfamilie stammende Franz Sprehe (1899-1975), aus dessen Nachlass der Verein Osnabrücker SchulMuseum e.V. Literatur zur Seminaristenzeit entgegennehmen durfte.

Nach 1920 lösten sich die Präparandenanstalten von Ankum, Melle und Osnabrück auf.
Die Absolventen der Lehrerseminare und Oberlyzeen prägten das Bild der Volksschule noch weit bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Daten aus dem Lehrer-Handbuch des Regierungsbezirks Osnabrück, auch „Schematismus“ genannt, lassen erkennen, dass für 1957 noch mehr als 50 % aller Volksschullehrkräfte aus seminaristischer Lehrerbildung stammten. (siehe Tabelle)

Lehrerinnen und Lehrer der Stadt Osnabrück im Elementarbereich 1957 : Ausbildungsvoraussetzungen

Lehrerinnen und Lehrer der Stadt Osnabrück im Elementarbereich 1957: Ausbildungsvoraussetzungen

Seminar Lyzeum Pädagogische
Hochschule
andere
Lehrer-
bildungsstätten
Anzahl 109 27 84 44
% 41,3 10,2 31,8 16,7

Einrichtung und Ziel der preußischen Volksschule um 1900
Der Königlich Preußische Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten bestimmt 1900:
„2. Die einklassige Volksschule.
In der einklassigen Volksschule werden Kinder jedes schulpflichtigen Alters in ein und demselben Lokale durch einen gemeinsamen Lehrer gleichzeitig unterrichtet. Die Zahl derselben soll nicht über 80 steigen. …“
„Ministerial-Erlaß vom 5. Mai 1873. Bei 80-120 Schülern ist eine Lehrerstelle, bei 120-200 sind zwei, bei 200-300 drei Lehrerstellen zur Zeit noch ausreichend.“
„Ministerial-Erlaß vom 31. Januar 1880. Das Schulzimmer für achtzig Kinder soll in minimo 48 qm, in maximo 60 qm betragen.“
„9. Die unentbehrlichen Lehrmittel.
Für den vollen Unterrichtsbetrieb sind erforderlich:
1. je ein Exemplar von jedem in der Schule eingeführten Lehr– und Lernbuche,
2. ein Globus
3. eine Wandkarte von der Heimatprovinz,
4. eine Wandkarte von Deutschland,
5. eine Wandkarte von Palästina,
6. einige Abbildungen für den weltkundlichen Unterricht,
7. Alphabete weithin erkennbar …
8. eine Geige,
9. Lineal und Zirkel,
10. eine Rechenmaschine;
in evangelischen Schulen kommen noch hinzu:
11. eine Bibel und
12. ein Exemplar des in der Gemeinde eingeführten Gesangbuches. …“

Der Chronik einer Osnabrücker Vorortschule ist zu entnehmen, dass die Vorschrift zu Nr. 9  im Jahre 1894 genau eingehalten wurde.
Zusätzlich sind diverse weitere Gegenstände wie Bildnisse Sr. Majestät Kaiser Wilhelm I. und Sr. Majestät Kaiser Wilhelm II., Thermometer, Trinkbecher und drei Spucknäpfe inventarisiert.

Lehrgegenstände in der Preußischen Volkschule

„13. Die Lehrgegenstände der Volksschule.
Die Lehrgegenstände der Volksschule sind Religion, deutsche Sprache (Sprechen, Lesen, Schreiben), Rechnen nebst den Anfängen der Raumlehre, Zeichnen, Geschichte, Geographie, Naturkunde, Singen und für die Knaben Turnen, für die Mädchen weibliche Handarbeiten.“
Ministerial-Erlaß vom 6. März 1873.
„Der Raumlehreunterricht kann in mehrklassigen Schulen für die Mädchen wegfallen und durch vermehrten Handarbeitsunterricht ersetzt werden.“

Stundenplan
für das Winterhalbjahr 1901/1902, Beispiel einer Klasse V in Neubremen

Unterricht:
6 mal vormittags von 8.30 bis 11.30 Uhr
4 mal nachmittags von 13.30 bis 16. 00 Uhr
insgesamt 32 Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten

 

Kein Sport im Winterhalbjahr!
Schreiben: 4 Wochenstunden
Lesen: 8 Wo.-Stunden
Rechnen: 10 Wochenstunden

Rechenmaschine
Das Ausstellungsstück fand sich auf dem Dachboden der Teutoburger Schule mit nur wenigen erhaltenen Kugeln. Alter und Verwendungszeit sind ungewiss. Vermutlich stammt es aus der Zeit um 1900-1920. Seit 1999 in Vereinsbesitz.


In einer Anleitung für Lehrer und Seminaristen beschäftigt sich der Seminarleiter Heinrich Kempinsky in seinem Buch „Der Rechenlehrer der Kleinen“ 1911 mit der Verbesserung des Hilfsmittels Rechenmaschine und schreibt:
… „Die Rechenmaschine ist unübersichtlich.
Diesem Übelstande … kann leicht und ziemlich gut auf folgende Art abgeholfen werden. Man klebe neben jeden Draht rechts und links einen Zettel in Rechtecksformat. Bei den fünf unteren Drähten nehme man rotes oder grünes Papier, bei den oberen weißes. … Daß mit der Klarheit der Zahlenbilder der ganze Rechenunterricht an Deutlichkeit und Zeit gewinnt und damit schmerzloser wird, erhellt sich von selbst.“

Der Orthopäde Schildbach
beklagt 1880 die schädlichen Einwirkungen der alten Schulbänke, „die dem Leib und dadurch auch dem Geiste“ der Kinder drohen und beschreibt, wie es dem Kaufmann Ernst Kunze aus Chemnitz gelingen konnte, eine ideale Schulbank anzufertigen.
Rettig-Schulbank
Fertigte man Schülersitze bislang nach den Vorstellungen einzelner Schulen an, so konstruierten Fabriken ab 1890 einheitlich gestaltete Zweierbänke mit getrennten Rückenlehnen bis zur Serienreife. 1898 ließen sich die Tauberbischofsheimer
„Vereinigten Schulmöbelfabriken“ ihre neue „Rettig-Schulbank“ patentieren und lieferten sie für mehrere Jahrzehnte in Millionenstückzahlen bis ins europäische Ausland.
Bis weit ins 20. Jahrhundert war auch manche Schule in der Region Osnabrück mit Rettigbänken ausgestattet.
Die vielleicht letzten beiden Exemplare dieses Typs entdeckte Rektor Clasen von der Waldschule Lüstringen 1981 auf dem Stallboden der zum Abriss freigegebenen Volksschule in Darum und übereignete ein historisches Stück 1999 dem Verein Osnabrücker SchulMuseum e.V..

Die NOZ berichtet in ihrer Ausgabe vom 7. Oktober 2000 über die Ausstellung, Überschrift: „Höhere Bildung“ auch für Mädchen.
Der Artikel ist hier im Format PDF. Wir danken der NOZ für freundliche Genehmigung.

Neue Osnabrücker Zeitung_2000_10_07

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung vom 07.10.2000. Autorin: Ulrike Schmidt, Fotograf: Klaus Lindemann.