Vorbemerkung: Der Schwerpunkt der Arbeit des  Osnabrücker Schulmuseums liegt naturgemäß auf den Schulen und der Entwicklung der Bildung in Stadt und Landkreis Osnabrück. Bestandteil der Führung sind auch Sequenzen einer historischen Unterrichtsstunde wie vor etwa 100 Jahren.

Der Ablauf eines ganzen Unterrichtsvormittags ist hier in den Aufzeichnungen eines Dorfschullehrers aus der nördlichen Lüneburger Heide ausführlich dokumentiert. Diese veröffentlichen wir hier in Ermangelung entsprechender Dokumente aus Osnabrück und Umgebung. (Wer damit aushelfen kann, möge sich bitte beim Schulmuseum melden.)

Eine Unterrichtsbesichtigung vor gut 120 Jahren

1880 wurde eine jährliche Überprüfung aller Schulen in der Provinz Hannover angeordnet.

Der Pastor, der Superintendent (damals oblag der Kirche die Schulaufsicht), der Schulvorstand und der „Ortsvorsteher“ waren anwesend, gelegentlich auch der Kreisschulinspektor. Diese „Schulprüfung“ dauerte mitunter einen ganzen Unterrichtsvormittag, und die Herren der Kommission rissen gerne mal den Unterricht an sich. Auffällig ist, dass sehr häufig Choräle und Kirchenlieder gesungen werden.

Aus den Berichten erhalten wir einen kleinen Einblick in das Unterrichtsgeschehen zur Kaiserzeit.

Die Schulprüfung wurde oftmals auch in Verbindung mit der Kirchenvisitation durchgeführt. Das bot sich an, weil der Lehrer in einem Kirchdorf auch Organist, Kantor und Küster war.

Wir veröffentlichen hier beispielhaft drei Berichte aus den Jahren 1880, 1889 und 1890.

  1. Schulprüfung 12. Februar 1880

Die nach dem Consistorialausschreiben vom 2. Januar 1880 angeordnete jährliche Schulprüfung wurde in hiesiger Schule durch Verfügung des Herrn B… Schulinspektors, Pastor Meyer in Salzhausen, vom 12. Februar 1880 am 16. Februar einem Montage von nachmittags 1 Uhr an abgehalten. Gegenwärtig waren: 1. Herr Pastor Meyer aus Salzhausen, als Lokalschulinspektor, 2. Herr Pastor Halven Raven als Vorsitzender des Schulvorstandes, 3. u. 4. die beiden weltlichen Schulvorsteher Höfner Dittmer und Schmiedemeister Hedder von hier, 5. der Ortsvorsteher Höfner Stuhtmann von hier.
Nachdem dieselben sich im Schulzimmer versammelt hatten, wurden gemeinschaftlich die beiden ersten Verse des 280. Gesanges „In Gottes Namen fang ich an“, gesungen und ich betete „All was unser tun und Anfang ist.“
Der erste Gegenstand war die Prüfung im Katechismus, ich wiederholte den III. Artikel bis zur Kirche. In der bibl. Geschichte nahm ich eine Wiederholung des alttestamentlichen Cultus, darauf wurde gelesen das Stück aus dem Lesebuche „Vier Regeln für den Hausstand.“.
Daran knüpfte sich die Prüfung im Deutschen … Deklination, einfacher und zusammengesetzter Satz. Darauf folgte die Prüfung im Rechnen. Ich ließ die Knaben nacheinander an die Tafel kommen, wo sie die verschiedenen Rechnungsarten, besonders mit Dezimalbrüchen und damit verbundenen Preisaufgaben, vorrechnen mußten. Die Epistel nahm ich größtenteils aus dem 4. und 5. Abschnitte des Heuerschen Rechenbuches. Die Unterabteilung setzte das Einmaleins vorwärts und rückwärts her, und die Kleinen zählten. Damit den Knaben schon viel Zeit in Anspruch genommen war, so kamen die Mädchen nicht mehr an die Tafel, sondern sie rechneten einige ähnliche Aufgaben im Kopfe.
Nach einer Pause von einigen Minuten begann die Prüfung in der Geschichte. Ich fing mit der allgemeinen Einteilung der deutschen Geschichte an, ging dann zu den deutschen Kaisern über, wobei ich Karl d. Gr., Heinrich I., Otto I., Heinrich IV., Friedrich I. und Rudolf von Habsburg näher berührte. Ihre Übung im mündlichen Ausdrucke ließ ich die Schüler durch Erzählen einiger Geschichten von letztgenannten Kaisern bekunden.
Hierauf ging ich zur Geographie über und zwar zu der von Hannover und eingehender die Landvogtei Lüneburg und die Heimatkunde.
Darauf folgte zum Schluß Singen. Die Mädchen sangen einzeln die im letzten Schuljahr geübten Choräle; auch von den Knaben sangen so viele, als die schon sehr vorgerückte Zeit erlaubte einzeln. Hierauf folgte Chorgesang.
Mit dem Liede „Lobe den Herrn, den mächtigen König der Erde“ und freiem Gebete meinerseits schloß die Prüfung.
Nach derselben begann sofort unter Vorsitz des Herrn Pastor Halven die darauf bezügliche Schulvorstandssitzung, in welcher über das Ganze der Ortsschule, ihren Stand etwaige Aufbesserung usw. den Schulvorstehern Mitteilungen gemacht und ihre Bemerkungen und Anträge entgegen genommen wurden.
Um 6 Uhr wurde diese Sitzung geschlossen. Die Erwartungen, welche ich vor der Prüfung von dem Ausfall derselben hatte, wurden nicht erfüllt. Wenn auch durchweg die Resultate als befriedigend anerkannt wurden, so konnte ich mich doch der Überzeugung nicht verschließen, daß sie eigentlich hätten besser sein sollen. Die Kinder antworteten zerstreut, und hatten namentlich im Rechnen die gewünschte Sicherheit und Gewandtheit mit den Zahlengarantien vielfach vermissen lassen. Möge die nächste Prüfung darlegen, daß diese Mängel mehr und mehr verschwunden sind.

Wolter

 

  1. Schulprüfung 8. September 1889

Am 8. September 89, dom. XII. p. f. tr., hielten der Herr Superintendent Parisius Pattensen und der Herr Landrat Schulze Winsen die Kirchenvisitation am Vormittage und der letztere andere Termine auf der Pfarre abzuhalten hatte. Ersterer allein am Nachmittag von 1 ¾ bis 4 ¾ Uhr die Schulvisitation ab. Gegenwärtig waren außerdem Schulvorsteher Stuhtmann und später Pastor emer. Halven von hier.
Herr Superintendent begann mit der Heimatkunde, welche er nach und nach mit der Einflechtung geschichtlicher Begebenheiten (Zerst. Magdeb. –Tilly – 30jähriger Krieg) zur allgemeinen Geographie erweiterte. Geschichte Karl d. Gr. und etwas aus Luthers Geschichte.  Darauf Lesen des 5. Stückes Afrika und Anknüpfung orthographischen und grammatischen Fragen (Wortarten, Konjugation). Hierauf ließ ich die drei Oberst. einige Exempel rechnen und damit war die Visitation beendet. Die Prüfung in der Religion hatte schon vormittags in der Kirche stattgefunden.
Der Ausfall der Prüfung war mäßig; die obersten Knaben und auch einige Mädchen betätigten sich rege an Antworten, im ganzen rügte der Herr Kreisschulinspektor die Schwerfälligkeit im Denken. Auch die Schlüsse im Rechnen gingen nicht präzise. Die Kinder waren teils verwirrt und teils blöde.

 

  1. Schulprüfung 17. März 1890

Am 17. März 1890 11. Schulprüfung. Gegenwärtig Herr Pastor Becker und Schulvorsteher Meyer, Schulvorsteher Stuhtmann war verreist und daher verhindert.
Anfangslied 393 1-3 Gebet No. 7 der Schulgebete im Gesangbuch. Wochenspruch Hebr. 9, 12. Morgensegen u. I. Art. mit Erklärung.
Zuerst Katechismus, Christemanns Katechismus, Bibel, Einteilung durch den Katechismus jeweils Angabe einiger Hauptstücke und II. Haupt. Anrede und 1. Bitte. Mit der 2. Bitte leitete ich über zur bibl. Geschichte und zwar zu den Missionsreisen des Ap. Paulus. Darüber erzählten die Bekehrung des Landvogts Serinius Paulus und Paulus zu Lystra. Epistel des letzten Sonntags. Bibellesen: Matt. 26. Dann Prüfung im Deutschen: I. Ordn. und schrieb auf Oh Haupt voll Blut und Wunden, II. Abteilung las aus dem Leseb. No. 153 und schrieb danach das Gedicht mit Gott auf, während die Oberst. aus dem II. Leseb. das Stück von den 7 Schläfern las.
Hierauf Rechnen. Jede Abteilung rechnete für sich auf der Tafel und sah Herr Pastor nachher d. Aufgaben nach; wie er auch die aufgeschriebenen Stücke nachsah und daran eine kurze Unterredung über den Gebrauch von daß und das knüpfte.
Nach der Pause Geographie von Frankreich und Geschichte von Napoleon bis zu Jena und Auerstedt.
In der Naturgeschichte des Lebensgemeinschaft des Wassers und bes. des Teiches und bes. der Gans. Schluß Gesang Herr Jesu dir leb ich. Geb. Anfang 8 Uhr, Ende 11 ½ Uhr.

 

Quelle: https://brammer-online.de/wdp/schulvisitationen-und-inspektionen/

aus der Schulchronik Raven. Soderstorf o.J.,

 

Die Kinder der Dorfschule Raven, Lüneburger Heide, aufgenommen am 24. Februar 1891.
Die Zahlen entsprechen der laufenden Nummer, unter der sie vom Lehrer geführt wurden und denen er die Namen zugeordnet hat.

Foto: privat